Tagung Erste Bilder / Inventing Images 21.11. - 22.11.2025

Das mittelalterliche christliche Bild ist nicht nur Statement, Argument und dient zur Visualisierung spezifischer Anschauungen, es konnte auch einen dokumentarischen Wert besitzen. Die Authentizität, die Bildern zuweilen zugeschrieben wurde, machte sie zu wirkmächtigen Agenten für dogmatische, propagandistische oder repräsentative Zwecke. Die Tagung Erste Bilder / Inventing Images widmet sich neu konzipierten Bildern und fragt nach den Bedingungen, unter denen solchen Neuschöpfungen Glaubwürdigkeit zugestanden wurde.

Seit der Spätantike sind Darstellungen von Christus und den Heiligen der Diskussion um ihre Berechtigung und ihren Status ausgesetzt. Diese Debatten brachten auch die Auseinandersetzung über die Authentizität von Bildwerken mit sich. Unter Authentizität von Bildwerken verstehen wir, dass ihnen die Fähigkeit zugesprochen wurde, die Wahrheit, Glaubwürdigkeit oder Rechtmäßigkeit einer Tatsache verbürgen zu können. Authentische Bilder galten als vertrauenswürdig. Mitunter dienten sie als materielle Evidenz, wenn ihre physischen Eigenschaften als Beweismittel herangezogen wurden. Der Authentizität entspricht die lateinische auctoritas, welche etwa das Begriffsspektrum von Gültigkeit, Gewähr, Macht, Würde, Beglaubigung, Verbürgung und Haftung umfasst. Man könnte ebenso von Echtheit im Sinne von Ursprünglichkeit sprechen.

Entstanden neue Bilder, war mit der Innovation eine Leistungsanforderung an das Bild selbst verbunden: Die Authentizität sollte möglichst unstrittig sein. Dies zeigen zum Beispiel die Verhandlungen um das auf Acheiropoieta gründende Christusbild in Byzanz, die an den Crucifixus gestellten Anforderungen und die damit verbundenen Bildoperationen ab dem 9. Jahrhundert im Westen oder die bildliche Konzeption eines Neuheiligen wie Franziskus im 13. Jahrhundert. Bildinnovationen und -umformulierungen sind oftmals an Momente politischer, theologischer sowie gesellschaftlich-sozialer Umbrüche gebunden, beispielsweise an Ordensgründungen, an der Adaption „fremden“ Kulturguts – etwa aus ostkirchlichen, lateinischen oder islamischen Traditionen –, an der Einführung neuer Dogmen, das Auftreten von Heiligenkulten, das Aufkommen neuer religiöser Vorstellungen oder Geschlechterbilder. Die Tagung widmet sich Bildneuschöpfungen und zu kanonisierenden Bildformularen in der mittelalterlichen Kunst, die zum Gegenstand ästhetischer, theologischer oder machtbezogener Diskurse wurden. Dies schließt bewusste Übernahmen und Rückgriffe auf traditionelle Ikonographien im Rahmen von oder in Auseinandersetzung mit bildlichen Neukonzeptionen im Sinne einer Apologie ein. Ein besonderes Augenmerk gilt weiterhin Spannungen zwischen Bild und Bildmedium, die beispielsweise beim Transfer eines alten Motivs in ein neues Medium auftraten oder bei der Neuschöpfung eines Bildes unter Beibehaltung eines alten Bildmediums bzw. Materials.

Verschiedene Fragen knüpfen sich an die Entstehung erster Bilder:

  • Wie wurde Authentizität hergestellt? Welche Anforderungen an ihr Zustandekommen, ihr Formengut oder an Verweise auf bestehende Bilder erfüllten Bildneuschöpfungen?
  • Wie wurden erste Bilder im Raum inszeniert? Stellten sie neue Anforderungen an Architektur und Raumdisposition? Fanden Transfers in andere Räume statt?
  • Wie ist das Verhältnis zwischen neuer Ikonographie und der Materialität des Bildes?
  • Welche Diskurse schlossen sich an die Schöpfung erster Bilder an? Lösten sie Kontroversen aus? Wie wurden sie gerechtfertigt, erklärt oder beschrieben?
  • Inwiefern wurde mit dem Transfer von Bildformularen, beispielsweise von Ost nach West, bewusst auf die Neuartigkeit der visuellen Erfahrung gesetzt?
  • Wurden mithilfe von Bildneuschöpfungen auch neue Vermittlungsstrategien, etwa für die Devotion, entwickelt?

Konzeption: Stefanie Lenk (Göttingen) und Anselm Rau (Stuttgart).

Programm

Freitag, 21. November 2025

9.30-10.00
Stefanie Lenk und Anselm Rau
Begrüßung und Einführung

10.00-10.50
Dr. Malena Rotter Lechanu (Kassel)
Ein „glaubhafter“ Himmel? Strategiefindung für Paradiesbilder in der frühitalienischen Malerei

10.50-11.30
Kaffeepause

11.30-12.20
Florence Larcher MA (Paris)
Inventing and Making Saints in 14th- and 15th-Century Italy

12.20-13.30
Dr. Anselm Rau (Stuttgart)
Heiliger/Ort – Zur „Erstausstattung“ der Unterkirche von San Francesco in Assisi

13.30-15.00
Mittagspause

15.00-15.50
Dr. Stefanie Lenk (Göttingen)
Contesting the Three-Nail Type of the Crucifixion: Franciscan Visual Culture and Holy Nail Relics as Arguments

15.50-16.40
Dr. Nadine Mai (Göttingen)
Bildwerdung, Bildverortung und Berührung als Authentizitätsstrategie der Schmerzensmann-Ikonographie

16.40-17.20
Kaffeepause

17.20-18.10
Prof. Dr. Michele Bacci (Fribourg)
"Echte" Orte und "wahre" Bilder in der Erfahrung vormoderner Jerusalem-Pilger

Samstag, 22. November 2025

9.00-9.50
Prof. Dr. Wolfgang-Christian Schneider (Hildesheim)
Die ‚neuen Bilder‘ der stehenden Theotokos und des Entschlafens Mariens in der Spätantike und ihre Aufnahme in die ‚lateinische Bilderwelt‘

9.50-10.40
Max Hello MA (Paris)
Reforming the Kingdom, Renewing Images. A Study of the Origins of Carolingian Book Illuminations: MS 10 B 4 of the Huis ven het Boel in The Hague (Second Half of the 8th Century)

10.40-11.20
Kaffeepause

11.20-12.10
Prof. Dr. Beate Fricke (Bern)
Die Welt abbilden, Diagramme erfinden

12.10-13.00
Prof. Dr. Kathrin Müller (Berlin)
Bildsysteme. Visuelle Konstruktionen der Typologie im 12. Jahrhundert

13.00-14.00
Mittagspause

14.00-14.50
Dr. Matthias Schulz (Gießen)
Entfaltete Gegenwart als künstlerische Innovation? Das Tabernakel von Cherves und seine bildräumliche Evokation der Realpräsenz Christi

14.50-15.20
Abschluss

Anmeldung

Anmeldung (notwendig) bis 3. November 2025 unter erste-bilder@ikg.uni-stuttgart.de

Tagungsort / Wegbeschreibung

Veranstaltungsort ist der Senatssaal im Rektorat der Universität Stuttgart, Campus Stadtmitte, Keplerstraße 7.

Vom Hauptbahnhof sind es ca. 15 Minuten Fußweg

Wegbeschreibung

Stadtplan

Eine gemeinsame Veranstaltung des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Göttingen.

Der Dank für die finanzielle Unterstützung zur Realisierung der Tagung geht an die Daimler und Benz Stiftung.

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